Genuss-Führer Schweiz & SicherSichern
Prolog
Panico hat 2024 einige Bücher aktualisiert – zwei davon sehen wir uns in diesem Beitrag näher an. Einerseits aus der Serie „Best of Genuss“ den Auswahlkletterführer Schweiz (3. Auflage, 2024) und andererseits den alpinen Lehrband „SicherSichern“ (5. Auflage, 2024).
Allgemeine Infos
Autor: | Diverse |
Verlag: | Panico Alpinverlag |
Kategorie: | Alpinliteratur, Führer |
WWW Link: | www.panico.de |
Sponsored Post | Ja |
Transparency
Danke an dieser Stelle für die wertschätzende Zusammenarbeit mit dem Panico Alpinverlag, der uns die Produkte kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Da wir in der glücklichen Lage sind, von solchen Kooperationen finanziell nicht abhängig zu sein, können wir neutral testen und berichten.
Review
Best of Genuss: Schweiz
Die “Best of Genuss” Serie legt ihr Hauptaugenmerk auf alpine Routen in den Schwierigkeitsgraden III-VII. Im deutlichen Gegensatz zu den traditionellen Pause-Touren steht hierbei nicht das Zittern und Selbstabsichern selten begangener, alpiner Testpieces im Vordergrund, sondern das eher entspannte Klettern an Bohrhaken mit gebohrten Ständen, wo man sich aufgrund der Hakenabstände auch nicht über die Maße fürchten muss. Und hiervon gibt es im Alpenraum – wie man Anhand dieses Auswahlführers sieht – mehr wie genug!
Das Buch betrachtet exklusiv die Schweizer Bergwelt und bereits bei der ersten Durchsicht des Inhaltsverzeichnisses wird klar, dass die Autoren Widmaier/Odermatt eine hervorragende Auswahl getroffen haben. Die dritte Auflage beschreibt auf 650+ Seiten 16 unterschiedliche Gebiete, wobei der Großteil der Routen in der West- sowie Zentralschweiz liegt (Zwei Kapitel Wallis, vier Kapitel Urner Alpen West). Insgesamt reicht das Angebot vom Jura im Nordwesten bis zum östlich gelegenen Toggenburg. Die Übersichtskarte zeigt, dass zwischen den einzelnen Regionen viele weiße Flecken liegen, wo es natürlich ebenfalls Klettermöglichkeiten gibt.
Die Crux eines Auswahlführers besteht darin, dass man nicht alle Möglichkeiten anführen kann, sondern die Auswahl bewusst beschränken muss. Auf diesen wesentlichen Faktor weist das Autorenpaar bereits im Vorwort hin „Ist im Zeitalter des Internets ein gedrucktes Buch überhaupt noch zeitgemäß…?“ Aus unserer Sicht lässt sich die Frage mit einem klaren JA beantworten, denn was die Genuss-Serie für uns so besonders macht, sind der Kaminschmöker- und Auchmachenwollen-Faktor. Eine Vielzahl der beschriebenen Routen sind demnach für erfahrene Kletterer möglich – auch ohne Ondra-Fingerpower oder Kammerlander-Psyche. Hat man an einem bestimmten Gebiet „Lunte gerochen“ empfehlen sich die dazugehörigen SAC-Führer, die dann so gut wie jede Route der gewählten Region abbilden…
Vom Aufbau her reiht sich der Führer in die lange Liste ausgezeichneter Panico-Kletterguides ein und orientiert sich an deren Informationshalt und Darstellung. Die 16 Regionen werden in kleinere Gebiete bzw. Bergmassive unterteilt und dann ggf. weiter in Sektoren, in welchen die einzelnen Routen angeführt werden. Diese werden teilweise auf Fotos eingezeichnet oder anhand übersichtlicher Topo-Illustrationen dargestellt. Der Detailgrad ist praxisnah – oftmals inklusive wesentlicher Sicherungspunkte (Haken, Sanduhren, etc.), teilweise auch nur die einzelnen Seillängen mit Zwischenständen. In einigen Gebieten werden neben den roten „Genuss“-Touren auch Touren höherer Schwierigkeitsgrade (in schwarz) eingezeichnet und namentlich erwähnt – das hilft bei der Orientierung und Einordnung.
Hinsichtlich verwendetem Kartenmaterial greifen die Autoren auf hochwertige Swisstopo-Ausschnitte zurück, die hinsichtlich Details keine Wünsche offen lassen. Positiv hervorheben möchten wir, dass allfällige Fahrrad-Verbote auf Zubringerwegen ebenfalls ausgewiesen werden – das spart Ärger/Mühen/Geld.
Bezogen auf den Charakter der Routen sei gesagt, dass sowohl Klettergärten, wie auch kurze alpine Längen, sowie lange, hochalpine Unternehmungen dargestellt werden. Letztere werden meist auf einer Doppelseite mit separatem Topo, Textinformationen sowie ggf. Fotos präsentiert. In anderen Fällen (insb. bei Plaisir-Routen) finden sich mehrere Routen auf einer Seite und die Beschreibungen fokussieren auf die wesentlichen Eckdaten. Besonders erwähnen möchten wir an dieser Stelle, dass sowohl historische Touren (Erstbegehung um 1900), wie auch Neutouren aus den 2020er Jahren angeführt werden. Nachdem viele Alttouren in den letzten Jahrzehnten saniert wurden (zumindest mit gebohrten Ständen und teilweise zuverlässigeren Zwischensicherungen) findet sich für jeden Geschmack das passende.
Der Auswahlführer gibt einen ersten Einblick in die zigtausenden Klettermöglichkeiten des Landes und bereits nach dem ersten Durchblättern ist klar, dass ein Fortsetzungsband (zusätzliche Gebiete und/oder weitere Routen derselben Schwierigkeit in den bereits angeführten Gebieten) absolut wünschenswert wäre. Alternativ wäre natürlich die Ausweitung der „Kletterführer Alpin“ Palette von Panico auf die Schweiz eine schöne Option…
Fazit
„Best of Genuss: Schweiz“ wird seinem Namen absolut gerecht! Das Guidebook gibt einen hervorragenden Überblick über die zahlreichen alpinen Klettergebiete unserer eidgenössischen Nachbarn.
SicherSichern Lehrband
In der neuesten Ausgabe hat sich die Seitenzahl dieses Bergsport-Standardwerks im Vergleich zum Vorgänger nahezu verdoppelt. Der Aufbau wurde ebenfalls grundlegend überarbeitet und präsentiert sich inklusive aktueller Kenntnisse der Sicherungstechnik und state-of-the-art Ausrüstungsgegenständen in einem erfrischenden Design. Gegliedert wird in folgende Kapitel:
- Klettern Indoor
- Risiko, Bouldern, Stürzen
- Sportklettern Fels
- Mehr-Seillängen
- Gletscher, Eis, Mixed
- Führen
- Retten
- Exoten, Bigwall, Neuland
Somit wird praktisch jede alpine Bergsportart, bei der ein Seil zum Einsatz kommen kann, abgedeckt. Einschließlich Skihochtouren, wobei natürlich der Fokus auf Seiltechnik (anseilen, Rettung, …) und nicht den skifahrerischen Aspekt liegt. Das Werk richtet sich primär an fortgeschrittene AlpinstInnen, die ihr Wissen/Können verfeinern oder auf den nächsten Level heben möchten. Einsteiger werden aufgrund des Umfangs und der Detailtiefe anfangs etwas überfordert sein – in wiewohl die beschriebenen Techniken natürlich auch von weniger erfahrenen Menschen umgesetzt werden können (und sollten!).
Gleich im ersten Kapitel werden wichtige Themen, wie z.B. Sichern mit erhöhtem Gewichtsunterschied (zwischen Sicherer und Kletterer) behandelt. Inklusive einer Auswahl aktueller Geräte, die hier zum Einsatz kommen können. Dieser Aspekt wird insbesondere in der Kletterhalle oft vernachlässigt, was leider bereits zu schweren Unfällen geführt hat. Sich diesbezüglich mit den aktuell verfügbaren Hilfsmitteln auseinander zu setzen sei jederman/frau wärmstens ans Herz gelegt!
Sofern vorhanden, werden für einen bestimmten Anwendungsfall auch unterschiedliche Methoden beschrieben. Beispielsweise beim Standplatzbau, wo neben Reihenschaltung und klassischer Ausgleichsverankerung zusätzlich der Südtiroler Stand sowie Stände mit mobilen Sicherungsmitteln veranschaulicht werden. Zusätzlich finden sich oftmals Links (via QR Code) zu entsprechenden Online-Videos, die die Inhalte visuell darstellen. Sehr praktisch und absolut zeitgemäß!
Sehr gut gefällt uns, dass nicht-alltägliches Equipment wie zB der Beal Escaper (zum Abseilen über die komplette Seillänge) gezeigt und beschrieben wird. Zusätzlich wird auf seltener genutzte Führungstechnik (wie zB Seilsicherung am Klettersteig) eingegangen. Somit eignet sich das Werk auch hervorragend für (ehrenamtlich tätige) Guides alpiner Vereine.
Eine Technik sorgt in der Bergsteigerwelt immer wieder für Diskussionsstoff – das „Gehen am kurzen Seil“. In SicherSichern wird hierauf ebenfalls nur am Rand eingegangen mit dem Hinweis, dass diese Technik den professionellen BergführerInnen vorbehalten sein sollte, da bei falscher Anwendung eine Sicherheit suggeriert wird, die von Nicht-Profis kaum erreicht wird. Da das Gehen am kurzen Seil bei privaten Zweierseilschaften jedoch oft praktiziert wird, hätten wir uns etwas mehr Input dazu gewünscht. Bei entsprechender Übung und richtiger Anwendung kann diese Technik auch im nicht-kommerziellen Umfeld recht gut klappen und das Mehr an psychologischer Sicherheit ist oft bereits entscheidend. Hier scheiden sich jedoch die Geister in der Diskussion… Dafür wird auf die Sicherungsmöglichkeiten sowie Taktik im Blockgelände sowie den korrekten Seiltransport eingegangen.
Bei den Grafiken fällt auf, dass diese dank Illustrator Georg Sojer nahtlos ins Bild von Bergundsteigen, Alpin Magazin und dem Alpenverein passen. Der Stil ist nahezu ident, was die Wiedererkennbarkeit deutlich erhöht. Die verwendeten Fotos und verlinkten Videos sind ebenfalls neueren Datums inklusive zeitgemäßer Ausrüstung.
Eine Anregung für die nächste – sechste – Auflage, wäre ein kurzer Abriss (evtl. unter dem Kapitel Neuland) zum Thema Canyoning speziell in Bezug auf das Abseilen in/an Wasserfällen.
Fazit
Das vorliegende Werk ist umfassend und absolut zeitgemäß. Dem Titel „SicherSichern“ wird der klar gegliederte Inhalt mehr wie gerecht. Toll finden wir die Verlinkungen mit den eigens erstellten Online-Videos sowie die ansprechende Aufmachung des Buchs.
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