Für diejenigen, die es noch nicht wissen: Ich steh auf Südtirol! Sommer wie Winter bietet diese einzigartige Region für jeden Geschmack etwas. Wenn es bei uns regnet, scheint dort die Sonne und wenn es bei uns keinen Schnee gibt, findet dort sicherlich einer. Ganz besonders hat es mir das Ortlergebiet angetan und so versuche ich, jedes Jahr zumindest ein Mal via Hintergrat auf Südtirols höchsten Berg zu kommen. Schön, dass es heuer nun zum zweiten Mal geklappt hat :-)
Das Programm ist recht klassisch: Freitagmittag Anreise und am späten Nachmittag Aufstieg zur Hintergrathütte. Röstkartoffel mit Speck und Spiegelei, dazu guter Vino Rosso und ab ins fast leere Lager. Insgesamt planen morgen 20 Personen den Hintergrat – vier davon werden wir sein.
Samstag: Ortler via Hintergrat
Der Wecker geht kurz vor Sonnenaufgang und wir verlassen als letzte Seilschaft mit Stirnlampen die Hütte. Der Weg ist bekannt, die erste lange Flanke besteht zu dieser Jahreszeit nur noch aus Schotter, weiter oben werden teilweise die Steigeisen angelegt. Nach und nach holen wir vor uns gehende Seilschaften ein und versuchen andererseits den herabfallenden Steinen anderer Berggeher auszuweichen. Glücklicherweise mit Erfolg.
Die Bedingungen sind top, unsere Gruppe auch, das Wetter lässt bei strahlend blauem Himmel ebenfalls keine Wünsche offen. Die Schlüsselstellen sind ebenfalls alle gut machbar und zumeist schneefrei. Zwei Dinge haben sich auf dem Grat seit meiner letzten Begehung zu Sommermitte verändert: Bei der Ketten-Schlüsselstelle hängt scheinbar nun fix eine Bandschlinge, womit auch weniger große Menschen leichter nach oben kommen. Und beim letzten Wandl hängt eine zusätzliche Reepschnur sowie ein neuer Schlaghaken, womit dieser Part deutlich entschärft wird.
Den Gipfel haben wir fast für uns alleine und bestaunen die umliegende Bergwelt. Auf der Königsspitze ist sogar die ehemalige Militärbaracke, die mittlerweile durch die Schneeschmelze immer weiter zum Vorschein gelangt, auszumachen. Heute sehe ich erstmals das Gipfelkreuz des Ortler in seiner vollen Pracht – bis dato war meistens nur der oberste Teil zu sehen.
Am Abstieg warten dann die eigentlichen Überraschungen: Es ist brutal, wie sich die Spaltenzonen in den letzten WOCHEN verändert haben!! Im mittleren Teil (oberhalb vom Biwak) befinden sich nun zwei kurze Leitern. Unterhalb des Biwaks (Steil im Firn oder alternativ Abseilen im Fels) zeigt sich nun eine riesige Spalte bzw. Abbruch. Vor zwei Monaten konnte man hier noch gerade über Schnee drüber gehen!!!
Alles weitere läuft wie am Schnürchen und wir erreichen wohl behalten die gut besuchte Payerhütte. Bei einer Stärkung in Form von Apfelstrudel (bzw. alternativ Radler) fixieren wir den weiteren Plan und beschließen den gemeinsamen Abstieg zur Berglhütte. Diese ist seit neuestem wieder bewirtschaftet – und wie!!
In rund eineinviertel Stunden erreichen wir die Hütte und werden vom netten Wirtspaar begrüßt. Vorteil der Berglhütte ist, dass hier deutlich weniger Leute herkommen und die Stimmung somit heimeliger ist. Die Lage ist ebenfalls perfekt! Auch an Tourenoptionen mangelt es nicht: zB Meranerweg auf den Ortler oder die andere Seite Richtung Tuckettspitze und Konsorten. Wir trocknen unsere Sachen in der Sonne und freuen uns auf das liebevoll zubereitete und noch dazu äußerst schmackhafte Abendessen, mit dem wir etwas später entzückt werden.
Sonntag
Am nächsten Tag begrüßen uns morgens Wolken weshalb wir uns ordentlich Zeit beim Frühstück lassen. Unsere nicht-benötigten Sachen können wir am Zimmer lassen und so verabschieden wir uns von den Wirten. Rupp wird uns heute nicht begleiten, da sein Fuß schon einiges mitgemacht hat und Schonung benötigt. Freundlicherweise wird er das Auto aus Sulden holen und uns danach wieder von Trafoi abholen. Zu dritt machen wir uns als auf den Weg Richtung Eiskögel und peilen das Biv. L. Pellicioli als Ziel an. Der Pfad zum Gletscher ist abenteuerlich und teilweise gefährlich, weil weggespült. Zusätzlich hat es über Nacht geschneit und wir stapfen durch gut 15cm Neuschnee. Die Gletscher sind ordentlich zerrissen – insbesondere der Ortlerferner. Die Querung zum Nasenhornferner sieht ebenfalls alles andere als einladend aus.
Wir halten uns auf der rechten (steilen) Seite des Ortlerferners, queren auf halber Höhe nach Links und kommen zu der Erkenntnis, dass sich über weite Strecken unter der dünnen, verblasenen Schneeschicht Blankeis befindet. Schweren Herzens entschließen wir uns zur Umkehr – just bevor die Wolken aufreißen und die Sonne durchkommt. Wirklich schade – aber im Winter komme ich hier fix wieder vorbei!
Über die Aufstiegsroute gelangen wir im Nu wieder zur Berglhütte, packen uns zusammen und steigen in nicht mal einer Stunde zu den Drei Brunnen ab. Eine Ecke wie aus dem Bilderbuch. Wenig später treffen wir unseren Chauffeur und machen uns an die Heimreise.
Fazit
Ich denke, ihr lest es aus meinen Zeilen bereits heraus: Ich liebe diese Gegend und mir wird hier niemals langweilig. Die Ecke um die Berglhütte kenne ich noch zu wenig, aber was ich an diesem Sonntag gesehen habe macht Lust auf mehr. Auch die Winterbesteigung des Ortler juckt gewaltig in den Beinen. In diesem Sinn kann ich die Touren hier nur jedem an Herz legen und uneingeschränkt empfehlen – es lohnt sich wirklich!!
It was a great climbing in Ortler :) Saludos: Eric Albino Lliuya