Vor einigen Monaten startete ich eine spannende Zusammenarbeit Mountain Equipment (kurz: ME). Somit hatte ich das Glück, auf einen Schlag einige Produkte für ausgiebige und somit aussagekräftige Langzeittests zu erhalten. Meine Erfahrungen mit dem britischen Hersteller mit Dependance in Süddeutschland sowie deren Produkten möchte ich euch präsentieren:
Vorweg: Was zählt für mich bei Bekleidung?
Thema #1 ist IMMER die Passform. 85kg Eigengewichtig auf 194cm ist eine Kombination, die leider nach wie vor für viele Hersteller „nicht darstellbar“ (weil nicht rentabel?!?) ist. Das ist bedauerlich, aber ein Faktum. Umso erfreulicher ist es wenn ein Hersteller unterschiedliche Schnittmuster im Programm hat und tendenziell „länger“ schneidert. Was Hosen betrifft, so ist das Sortiment noch etwas ausbaufähig, aber bei der Oberbekleidung von ME kommt wahrlich Freude auf!
Und sonst noch?
Ganz wichtig ist neben dem Schnitt: Robustheit. Das ist nur mit erstklassigen Stoffen und ausgezeichneter Verarbeitung möglich. Gewisse „Basis-Features“, die das Leben mit dem Produkt angenehmer machen (Taschen, Helmtaugliche Kapuzen, Belüftungsmöglichkeiten) sind fein – wenn auch nicht überlebenswichtig ;-)
Was mir unwichtig ist:
Schnickschnackgimmicks wie Kabelführungen für MP3 Player und ähnliches.
Nice2have:
Design. ME setzt dabei in vielen Produkte auf starke Kontraste zwischen Material und Zips. Aus meiner Sicht stechen Funktion & Passform allerdings IMMER Design!
Nun gut, wie schlagen sich nun also die Briten, die in unseren Breiten in ausgewählten Bergsportläden und im Onlinehandel gut erhältlich sind? Schauen wir uns die einzelnen Teile etwas näher an und tasten uns dabei von der untersten Schicht zu äußersten vor:
Shirt Eclipse Hooded Zip T (Midlayer)
Midlayer sind normalerweise alle recht ähnlich. Dieser von ME nicht! Warum das so ist: Nunja, ME bietet unter der Produktlinie Eclipse zusätzliche Varianten an:
-) Eclipse Zip T: 1/3 Front-Zip gerade
-) Eclipse Inferno Jacket: Full Front-Zip asymmetrisch, gefüttert
Das ist doch einmal eine Ansage! Wer hier nicht das richtige Teil nach seinem Geschmack findet, dem ist nicht zu helfen ;-)
Ich habe mich bewusst für das oben genannte Modell (in Large) entschieden, da ich noch nie ein Produkt mit asymmetrischem Zip hatte und eine Kapuze nie verkehrt ist. Der gravierende Vorteil bei meiner Ausstattungsvariante ist, dass man in geschlossenem Zustand keinen Zip auf den Lippen kleben hat, was an kalten Tagen wesentlich zum Tragekomfort beiträgt. Noch dazu ist die Frontpartie so konstruiert, dass man diese – wenn man möchte – über die Nase ziehen kann, wenn’s besonders kalt/windig ist. Clever! Die Kapuze ist eng anliegt und tut ihren Dienst gut. Verstellbar ist sie nicht – wir haben es hier schließlich mit einem Midlayer zu tun, wo das nicht notwendig ist.
Das Design finde ich gut gelungen, insbesondere in der gewählten blauen Farbkombination. Der Schnitt ist – wie es sich gehört – körperbetont, allerdings weit weg vom Kompressionsstil a la X-Bionic. Logisch, denn der würde als Baselayer darunter gehören ;-) Das Material ist Pontetorto® Technostretch-Fleeceund leistet gute Dienste. Atmungsaktiv, geruchsneutral, wärmt und lässt den Körper dabei nicht schwitzen. An den Ärmelenden finden sich Daumenschlaufen – eine Geschmackssache und sicherlich nice2have. In der Napoleontasche finden kleine Gegenstände wie Ausweistasche, Handy oder Mp3-Player leicht Platz
Fazit: Ein rundum gelungener Midlayer, der keine Wünsche offen lässt.
Mazeno Jacket (Daunenjacke)
Neben Hardshells haben sich am Berg über die Jahre auch Isolationsschickten bewährt. ME schickt dabei u.a. die Mazeno ins Rennen. Wieder einmal sticht die gute Passform heraus – die Jacke sitzt einfach optimal in Größe Large.
Die Eckdaten: 2 Seitentaschen, 1 Brusttasche, 2-Wege-YKK-Front-Zip, Kordelzug am unteren Jackenende, Kletterhelm-taugliche Kapuze (bei einer Daunenjacke eine nette Zugabe). Das Design ist schlicht und unauffällig. Besonders sticht jedoch der Materialmix hervor: ME setzt dabei auf eine Daunenfüllung (675cuin 90/10er Füllung) im Rumpf-Bereich und Primaloft GOLD in den Ärmeln. Eine gute Idee wie ich finde, die sich auch in der Praxis bewährt, denn am ehesten kühlt der Rumpf aus. Außerdem stehen die Chancen gut, dass eher die Ärmel nass werden als der Rumpf.
Primaloft bringt den Vorteil, dass das Material auch noch im feuchten Zustand wärmt. Wird Daune hingegen feucht (egal ob durch Schweiß oder äußere Einwirkung) dann bleibt sie feucht, trocknet nur langsam und wärmt nicht mehr. Um diesem Umstand entgegen zu wirken verarbeitet ME das wasserabweisende Helium 30 Obermaterial.
Fazit: Der Mix bewährt sich in der Praxis und ich hatte mit Feuchtigkeitseinwirkung nie ein Problem bei diesem Produkt!
Arcadia Jacket (Hardshell Jacke)
Eine kleine, leichte, simple Wetterschutzjacke aus Gore-Tex Active Shell. Der Schnitt ist körperbetont (Größe Large), die Ärmel fallen dabei relativ lange aus (tiptop!), die Jacke insgesamt ebenfalls. Ideal für den bewegungsintensiven Einsatz im Sommer. Wenig geeignet, wenn zusätzlich eine dicke Schicht (zB Daunenjacke) darunter zum Einsatz kommt. Wasserfeste Zips, 2 seitliche Taschen, keine Pit-Zips (dafür Lüftungsschlitze), 1-Way-Frontreißverschluss, Kletts bei den Ärmelenden, eine Kletterhelmtaugliche Kapuze (die allerdings nicht mehr viel Bewegung zulässt), Kordelzug am unteren Jackenende damit’s nicht durchzieht, Basic-Design.
Kurzum: Ich liebe sie. Sie ist genau richtig für Frühling, Sommer und Herbst, wobei der Sommer dominiert. Sie kam beim alpinen Klettern, Biken und auf hohen Grattouren (Biancograt im Herbst!) zum Einsatz und hat mich nicht im Stich gelassen. Der Schnitt ist für Menschen meiner Statur perfekt! Es gibt keinen Schnickschnack, der kaputt gehen kann und die Jacke tut das wofür sie ausgelegt ist ausgezeichnet.
Die Jacke ich leicht und gut zu verpacken (Volumen wie eine 0,5 L Trinkflasche). Klar gibt es dünnere/leichtere/kleinere Jacken, aber konsequenterweise sind diese auch anfälliger für Beschädigungen. Das Gore-Tex Active-Shell überzeugt trotz fehlender Pit-Zips, die ich während der Nutzung jedoch nicht vermisst habe. Das Material übersteht auch zig Waschgänge problemlos – jedoch muss klar gesagt werden, dass Active Shell eben nicht Pro Shell ist. Sprich: Irgendwann wird’s immer feucht unter der Jacke.
Fazit: Die Arcadia Jacket erfüllt genau den Zweck für den sie geschaffen wurde und das zu einem attraktiven Preis.
Lhotse bzw. Tupilak Jacket (Hardshell Jacken)
Diese beiden Modelle sind fast ident und unterscheiden sich im Wesentlichen durch zwei Merkmale: Eine für Skihelme optimierte Kapuze der Tupilak (Wobei ich keinen Unterschied bei der Kapuzengröße feststelle) und die Anordnung der Taschen auf der Frontseite.
-) Lhotse: Farbe Red, 1 Napoleontaschen, 2 hochgesetzt für die Hände
-) Tupilak: Farbe Lemon-green, 2 Napoleontaschen
In Summe sieht die Tupilak dadurch vom Design her eine Spur „technischer“ aus. Beide Jacken setzen auf das neue Gore-Tex Pro Shell und sind für den ganzjährigen harten Einsatz im Hochgebirge gedacht. Hier ist insbesondere Verlässlichkeit (im Sinne von Robustheit) überlebenswichtig.
An den Jacken gefällt mir der Schnitt, der genug Bewegungsspielräume zulässt ohne unangenehm flattrig zu sein. ME nennt das „alpine fit“. Die für mich wichtigsten Features sind vorhanden: großzügige Skihelmtaugliche Kapuze mit stabilem Schirm, ein Fleecestück im Kinnbereich des sehr massiven (!) 2-Wege-Front-Reissverschlusses, 2-Wege-Pit-Zips zur Durchlüftung, Napoleontasche, 1 Innentasche, Kordelzüge am unteren Jackenende, massive Klettverschlüsse bei den Ärmelenden. Alle Zips sind stabile, langlebige YKK. Die Schulterpartien sind verstärkt – das schont das Material unter der Last der schweren Rucksäcke. Das Design ist absolut gelungen.
Eine Anmerkung zur Kapuze: diese lässt sich „klassisch“ mittels dreier Punkte justieren: 1 am Hinterkopf und 2 unterhalb des Kinnbereichs. Dabei sind die Kordelzüge freiliegend, die „Arretierungen“ allerdings in der Jacke vernäht und dadurch nicht sichtbar. Der Nachteil dieser Konstruktion ist, dass wenn eine Arretierung streikt man diese nicht selbst tauschen kann sondern zum Hersteller schicken muss. Wie immer: Kein Vorteil ohne Nachteil…
Das Gore-Pro Shell Material wurde generell überarbeitet und präsentiert sich 2014 mit neuer Struktur. Der Stoff ist recht steif wodurch er knistert und auf direkter Haut eher unangenehm zu tragen ist. Die Wasserfestigkeit bleibt auch nach mehrmaligem Maschinenwaschen hervorragend. Der Wetterschutz ist ebenfalls hervorragend: Heftige Regengüsse, Sturm, aber auch Abrieb am Fels sowie intensiver Feuchtigkeitskontakt beim Eisklettern beeindrucken die Jacke nicht. Die Pit-Zips erweisen sich hinsichtlich Durchlüftung als überaus hilfreich.
Eine Sache ist mir jedoch aufgefallen und ich habe keine Idee, woran es liegt: In der Gegend der Pit-Zips entsteht bei meiner Lhotse nach mehrmaligem Tragen ein unangenehmer Geruch. Liegt es am neuen Pro Shell? Kann ich mir nicht vorstellen. Liegt es an der Verarbeitung bei Mountain Equipment? Kann ich mir ebenfalls nicht vorstellen. Ein Montagsprodukt? Vielleicht. Liegt es an der Person? Möglicherweise – allerdings habe ich dieses Problem in dieser Form sonst bei keiner Oberbekleidung. Die Passform? Eher enganliegend, aber auch nicht zu eng. Mysteriös – wir werden es wohl nie klären…
Apropos Größe: Ich habe den Fehler gemacht, die Lhotse in Medium zu ordern. Von der Weite her noch ok (ohne Isolationsschicht raunter), von der länge her ebenfalls ok, aber die Ärmel sind doch zu kurz. Die Tupilak ist in Large und passt mir um einiges besser (beim Probieren dachte ich, Large wäre zu „flattrig“ – ist aber absolut nicht so!).
Fazit: Bei den getesteten Jacken handelt es sich um erstklassige Produkte für den professionellen Einsatz. Wer zwischen der Wahl steht wird wahrscheinlich nach dem Design entscheiden, denn die Jacken sind ansonsten praktisch ident. Preislich sind sie in höheren Lagen zu finden, allerdings in Anbetracht der Ausstattung und des Materials im direkten Vergleich zu kanadischen, skandinavischen und anderen Herstellern durchaus attraktiv.
Weitere Informationen findet ihr auf www.mountain-equipment.de.
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