Aufmerksame Leser werden mitbekommen haben, dass ich Anfang des Jahres etwas „Probleme“ mit meiner Skitouren-Hartware hatte. Dank kundenorientierter Hersteller/Händler wurde glücklicherweise schnell Ersatz angeschafft. Bereits davor war ich am Überlegen, wie ich meine – in die Jahre gekommenen – G3-Alpinist-Skifelle ersetzen sollte. Dabei wurde rasch klar, dass sich in den letzten Jahren einiges am Markt für Steigfelle getan hat. Neben klassischen Klebeproduktiven steht der Käufer vor der Qual der Wahl unterschiedlichster Klebesysteme wie Adhäsion. Neue Technologien sind kritisch zu betrachten, denn nicht alle halten unbedingt, was die Produktmarketing-Abteilungen der Hersteller versprechen. Auch die „Behaarung“ ist vielfältig: Von 100% Mohair bis 100% Synthetik finden sich unterschiedlichste Mix-Kombinationen, die die Vorteile beider Materialien vereinen sollen.

Der moderne Alpinist durchforstet nun als erstes das Internet nach aktuellen Produktinformationen und wird schnell feststellen, dass akkurate (Vergleichs-)Tests in diesem Bereich Mangelware sind. Eines ist klar: Steigfelle sollen den Spagat zwischen „Gleitfähigkeit“ auf der einen Seite und „Aufstiegsgrip“ auf der anderen Seite möglichst gut lösen. Dass es sich dabei um eine durchaus komplexe, etwas philosophisch angehauchte Frage (und eigentlich einen Widerspruch) handelt liegt auf der Hand.

Einige Worte zu meinen bisherigen Erfahrungen und meinem Nutzungsverhalten: Ich gehe im Schnitt um die 75 Skitouren pro Saison – von November bis Juni. Die Auswahl reicht von kurzen After-Work-Touren auf pickelharten Pisten (selten) bis zu mehrtätigen Durchschreitungen mit Harsch, Pulver, Firn, Sulz, etc. Weniger als 600 hm sind es selten – im Schnitt eher 1400 hm bis max. 2400 hm wo meist mehr wie 1x aufgefellt wird. Sportausrüstung betrachte ich als Gebrauchsgegenstand, auf den ich mich verlassen können muss. Der Pflege schenke ich weniger Beachtung wie ich eigentlich sollte und meine Materialversorgung auf Tour ist nicht immer lehrbuchhaft. Daher nutze ich Material, das mir in dieser Hinsicht etwas unter die Arme greift :-)

In der Vergangenheit hatte ich Felle von Dynafit und G3. Dabei durfte ich einige essentielle (!) Basics lernen, die grundsätzlich für ALLE Steigfelle gelten:

  • FELLE von Zeit zu Zeit mit Imprägnierspray auf der Fellseite behandeln
  • KEINEN Dreck auf die Felle kommen lassen. Wenn das doch passiert so gut wie möglich entfernen.
  • IMMER ein hartes Fellwachs auf Tour mitnehmen (dieses bei Frühjahrstouren vor Tourstart präventiv aufs Fell aufreiben)
  • NIEMALS mit Fellen durch Wasserlacken oder ähnliches laufen. Lieber für 30cm abschnallen und tragen als stollende Felle!
  • VORSICHT bei der Trocknung: Idealerweise bei Raumtemperatur mit großzügigem Abstand zu Heißluftgebläse/Heizung/Ofen

Contour Hybrid Mix Variocut

Freundlicherweise wurde mir kurzfristig das Fell „Hybrid Mix“ von Contour zur Verfügung gestellt. Dabei sollte Contour keinesfalls mit dem namensähnlichen Hersteller Colltex verwechselt werden. Contour setzt bei einigen seiner Produkte das Prinzip des Adhäsionsklebers ein. Nach den eher negativen Berichten über Gecko-Felle war meine Skepsis gegenüber neuen Technologien geweckt und ich war nun umso gespannter, wie sich der Kleber von Contour schlagen würde.

mk02127.jpgHardfacts

  • Unterschiedliche Längen für so gut wie alle Ski (XS, S, M, L, XL plus Extralang mit Zuschnittschablone)
  • Befestigung vorne: rechteckiger Vario-Clip (werkzeugloser Tausch möglich)
  • Befestigung hinten: tailclip (passt auch für Twin-tip Ski)
  • Fellmaterial: 70% Mohair, 30% Synthetik (Farbe blau/weiß)
  • Lieferumfang: Fell, Fellsack (mit Fleecestück innen), 2 Fellnetze halblang, Zuschnittwerkzeug (Cutter), Anleitung
  • Made in Austria
  • Preis: UVP EUR ca. 150-180,–

Es ist leicht zu erkennen, dass es sich um ein durchdachtes High-End-Produkt handelt, welches sich in einem dementsprechenden Preisbereich bewegt. Bei einer Verwendungszeit von gut 2 Jahren mit jeweils 70 Touren ist das etwas mehr als 1,– pro Tour. Das kann ich gut vor meinem Bankberater vertreten ;-)

Wie wurde getestet?

Das Fell wurde zugeschnitten und von Mitte Februar bis Mitte April auf ca. 20 Touren bei sehr unterschiedlichen Touren und ebensolchen Verhältnissen von einem Tester (mir;-)) durchgehend genutzt. Als erstes musste das Fell natürlich an den Ski (Movement Chillout 185cm mit 135-94-126) angepasst werden. Dazu gibt es den beigelegten Cutter, eine Anleitung in Papierform UND – was ich besonders hilfreich finde – ein Video mit Schritt-für-Schritt-Anleitung auf der Contour Website. Einfach genial, denn dabei wir das Prozedere praktisch gezeigt! Der Zuschnitt klappt dadurch in 10 Minuten: Fell aufspannen, auf einer Seite zuschneiden, Fell abziehen, Fell etwas seitlich versetzt aufkleben, auf der anderen Seite zuschneiden, Fell abziehen, mittig aufkleben und prüfen ob die Kanten frei liegen. Wenn dem nicht so ist –> nachbessern!

Die Länge XL passt ausgezeichnet auf meinen Ski und ließe sogar noch etwas Luft nach oben zu. Insofern sind die Längenangaben der Felle Referenzwerte, die leichte Toleranzen seitens des Skis zulassen. Das Gewicht des Fells habe ich nicht nachgewogen, aber es ist etwas leichter als das G3 Alpinist und auch etwas kompakter zu verstauen.

Der Frontbügel sieht klassisch aus und ließe sich bei Bedarf werkzeuglos wechseln. Für meinen Geschmack wäre es besser, wenn das Fell fix in der Halterung fixiert ist. Beim Contour-System lässt es sich am Bügel je 1cm nach links und rechts bewegen. Das sollte beim Anbringen am Ski beachtet werden, damit das Fell zentral aufliegt. Das System ist wesentlich robuster als die Dynafit-Gummi-Nippel, die dazu neigen, abzureißen.

mk02130.jpgDer absolute Hammer ist die Befestigung am hinteren Skiende: „tailclip“ heißt dieses Patent, das auch auf Twin-tip Ski passt. Und zwar perfekt! Beim G3 Alpinist musste ich separate Twinclips anschaffen. Contour hat mitgedacht und bietet alle Möglichkeiten mit dem leicht verstellbaren tailclip. Super!

Der Kleber ist eine echte Überraschung: Adhäsion nennt sich das Ganze und ist zwar auch eine Art Kleber, allerdings nicht vergleichbar mit den Klebern, die ich bisher in Händen hatte. In der Vergangenheit war es so, dass die Steigfelle mehr oder weniger fest aneinandernklebten wenn sie Kleber-auf-Kleber verstaut wurden. Bei einigen Herstellern war es so, dass es fast 2 Leute brauchte um die Fellenden dann wieder auseinander zu ziehen. Ein weiterer unangenehmer Nebeneffekt von Fellen mit so einem Kleber ist, dass diese – insbesondere im Frühjahr – dazu neigen, unschöne Kleberreste am Ski zu hinterlassen. Nichtsdestotrotz bestanden gelegentlich Probleme beim Wiederauffellen. Adhäsion geht nun einen anderen Weg: Die Klebefläche ist glatt und nur ein feiner Klebestreifen spürbar. Auf diesem kann sich Dreck (wie zB Baumnadeln) zwar ebenfalls festsetzen – allerdings können diese einfach (mittels Pinzette) entfernt werden. Alternativ kann die Oberfläche auch mit Wasser abgespült und einem Tuch gesäubert werden. Beim Adhäsionskleber braucht man sich auch keine Gedanken hinsichtlich Klebererneuerung machen – die benötigt es nämlich nicht. (Anmerkung: Wobei ich mit Klebererneuerung generell negative Erfahrung gemacht habe und die Felle eher ersetzen würde, als diese neu zu bekleben.)

Schön und gut, aber hält ein Adhäsionsfell auch fest am Ski?

mk02312.jpgKlare Antwort: „JA“. Mit einem Aber: wer weiß, dass er (oder sie) abfährt und öfter wiederauffellt, sollte die Felle UNBEDINGT unter der Jacke/Weste verstauen. Das wirkt übrigens bei allen Arten von Steigfellen! Wird das nicht gemacht, hält das Fell beim 2. Aufkleben noch, aber beim 3. Mal wird es heikel. Wenn es die Felle unter der Jacke schön warm haben klappt mehrmaliges Auf- und Abfellen problemlos! Es ist außerdem dringend anzuraten, die Oberfläche des Skibelags vor dem Auffellen trocken zu wischen. Dazu kann zB das mitgelieferte Sackerl mit eingenähtem Fleece-Stück verwendet werden. Ein anderes Stofftuch tut es ebenso gut. Zusätzlich hilft es gerade bei Adhäsionskleber, die Felle beim Anlegen fest auf den Belag zu drücken.

Die Steigfähigkeit ist gut bei normalen Verhältnissen. Bei speziellen Bedingungen wie steilen Pisten oder Hüttenzustiegen am Abend über vereiste Spuren ist – wie bei allen Steigfellen – Achtsamkeit geboten.

Die Gleiteigenschaften überzeugen voll und ganz: sowohl auf ebener Geraden wie auch im Pulverschnee beim Spuren gleiten die Felle praktisch widerstandslos dahin. Wenn eine Passage (geplant) abgerutscht wird überzeugen sie ebenfalls auf ganzer Linie. Eine echte Wohltat und vor allem kraftsparend!

Was hat mir nicht gefallen?

mk02308.jpgHm. Hm. Hmmmmmm. Da gibt’s nicht viel. Eventuell die Geschichte mit dem variablen Frontclip. Aber das ist minimal und beeinträchtigt nicht die Funktion. Die Steigeigenschaft könnte eine Spur besser sein, aber nicht, wenn das die ausgezeichnete Gleitfähigkeit beeinfluss. Der Preis schreckt vielleicht den ein oder anderen Käufer ab, aber: What you pay is what you get. Wer mit einem 50-Euro-NoName-Fell happy ist, soll das bitte weiterhin sein. Mercedes und Lada haben beide 4 Räder und sind trotzdem nicht zu vergleichen.

Fazit

Hätte ich eine Sternebewertung dann gäbe es 4.5 von 5 Sternen. Bei Prozent wären es 90 von 100%. Dieses Teil gebe ich nicht mehr her und kann ich vorbehaltlos empfehlen.

Update 12/2015

Eine intensive Skitourensaison 14/15 liegt hinter mir und nach den Schneefällen der letzten Tage dürfte uns auch eine großartige Saison 15/16 bevorsteht :-) Daher ist es an der Zeit, einen Gesamtrückblick zu liefern:

  • Nutzung bei ca. 50 Skitouren mit sehr unterschiedlichen Schneeverhältnissen (viel – wenig, Bruchharsch – Firn, …)
  • kein Schmutz; reine Reinigung notwendig
  • Gleit- und Steigeigenschaft: Nach wie vor gut
  • keine Löcher, Risse, oder ähnliches
  • An den Rändern leichtes ausfransen; beeinträchtigt die Nutzung nicht
  • 1 Varioclip verloren gegangen; ließ sich während der Tour ausgezeichnet durch Draht ersetzen; Ersatz bestellt, der jetzt immer im Erste Hilfe Set dabei ist.
  • Nach jeder ca. 15. Tour verwende ich Imprägnierspray; Hartwachs ist on-Tour sowieso immer im Rucksack
  • Bei mehrmaligem Auffellen ist es wirklich (!) wichtig, eine trockene Skioberfläche zu haben (Fleecestoff ist im Fellsack eingenäht!)
  • Ein RIESEN VORTEIL hat das Adhäsion-Prinzip: Wenn im Skibelag tiefe Löcher ausgebessert wurden dann reißen normale Klebefelle diese Ausbesserungen spätestens bei der 5. Tour raus. Bei diesem Fell hatte ich das Problem noch nicht!!!