Hier folgt der zweite Teil unserer tollen Herbst-Hochtour im Schweizerischen Wallis: 

5. Tag:

Ein Blick aus dem Fenster beim Frühstück bestätigt den Wetterbericht: Wolken, Nebel & leichter Schneefall werden uns heute durch den Tag begleiten. Zum Glück haben wir „nur“ den Übergang über das Naso del Liskamm zum Rif. Mantova vor uns. Die Sicht ist wirklich mies – aber zum Glück gibt es noch eine vorhandene Spur, der wir folgen können. Der Aufstieg zum Naso ist eine steile Firnflanke, die später flacher wird. Der Abstiegsweg ist an einigen Stellen nicht ganz logisch (bzw. sehen andere Abstiegsvarianten einladender aus – führen weiter unten jedoch ins Nichts). Die Querung des darauf folgenden Gletschers wäre wohl etwas direkter möglich – aber wir vertrauen lieber auf die vorhandene Spur und machen erst recht spät einen „Abschneider“. Wir treffen erneut auf die Spur, die uns im Zickzack sicher zwischen großen Spalten durch manövriert.

Das eher wenig empfehlenswerte Rif. Gnifetti (3.625m) lassen wir rechterhand liegen und steigen weitere 150 hm zum Rif. Mantova ab. Rückblickend eine goldrichtige Entscheidung, denn dieses neue Rifugio ist Luxus pur! Großzügige, neue Räume, viele Trockenmöglichkeiten, Spitzengastronomie, freundliches Personal – eine ECHTE Empfehlung in dieser Gegend!! Wenig überraschend gehören wir zu den wenigen Gästen an diesem herbstlichen Tag.

6. Tag:

Auch der heutige Tag begrüßt uns in einer Weise, die wir uns nicht wünschen: Die Sicht beträgt aufgrund des Nebels nur wenige Meter und wir hoffen auf Besserung. Als eine von mehreren Seilschaften stapfen wir zum Joch zwischen Vincentpyramide (4.215m) und Balmenhorn (4.167m). Hier trennt sich die Spreu von Weizen. Wir gehören der Weizen-Fraktion an und folgen einer weiteren Gruppe, die zur vermeintlichen Vincent Spitze hoch steigt. Der Weg ist sehr einfach und so stehen wir nach einer knappen halben Stunde im Nebel am Gipfel. Wir machen kehrt, laufen zum Joch zurück und folgen der Spur Richtung Balmenhorn mit einer großen Madonnenstatue, die prägnant direkt neben einer Biwakschachtel steht. Leider verschlafe ich irgendwie, dass es sich hier um einen eigenen 4.000er (UIAA) handelt – sonst wären wir die wenigen Meter hinüber gegangen.

Weiter geht’s zum Corno Nero / Schwarzhorn (4.321m), wo das Wetter schlagartig aufklart und die Sicht auf die umliegenden Berge freigibt. Die Schlüsselstelle sind die steilen, letzten 30m Firnflanke (ca. 45-50°), die zum Gipfel führen. Foto-Foto-Klick-Klick, wieder runter und rüber zur benachbarten Ludwigshöhe (4.341m). Ein kurzer Firngrat führt zum unmarkierten Gipfel und auch wieder hinunter. Der nächste Paukenschlag folgt dann in Form der Parrotspitze (4.432m), auf die ein längerer, teilweise ausgesetzter Firngrat führt. Den Gipfel überschreiten wir und steigen auf der Nordostseite ins Seserjoch (4.296m) ab. Wir legen unsere eigene Spur unter den Abbrüchen unterhalb des Rif. Margharita (4.554m) und gehen zum Colle Gnifetti. und weiter auf die Zumsteinspitze (4.563m). Eine kurze, nach rechts hin ausgesetzte Firnschneide führt uns zum Gipfel mit kleiner, goldener Madonna. Wir halten Kriegsrat: Übernachten wir wirklich auf der Kopfweh-Hütte oder steigen einige Stunden zur Neuen Monte Rosa Hütte ab?!

Die Wahl fällt auf Zweiteres. Also Stornierung der Margharitahütte, zusammenpacken und Abstieg über den langen Grenzgletscher. Die Liskamm-Nordwand fällt eindrucksvoll viele hundert Meter steil in unsere Richtung ab. Wenn man diese Wand im Sommer sieht fällt es schwer, zu glauben, dass gute Steilwandskifahrer diese 50-55° Wand im Winter abfahren. Tun sie aber!

Unterhalb von 3.700m wird der Gletscher dann heikel, denn die ersten Querspalten tun sich auf und es ist mittlerweile doch recht spät. Die Spur zieht spannend in großen und kleinen Bögen zwischen den Spalten vorbei und über fragile Brücken – die glücklicherweise alle halten. Nach Überquerung des aperen Gletscherabschnitts wechseln wir auf ca. 3.100m in felsiges Gelände und gelangen rasch zur Neuen Monte Rosa Hütte (2.883m), einem imposanten silbernen Gebäude, das einzigartig aus der braunen Bergkulisse heraus sticht. Auch hier sind derzeit nicht viele Bergsteiger zu Gast und so beziehen wir ein gemütliches 8er Lager, das wir für uns alleine haben. Endlich gibt es auch wieder „normale“ Toiletten, die ohne Abfahrtshocke genutzt werden können :-).

7. Tag:

Nachdem wir uns am vorhergegangene Abend kollektiv gegen eine Besteigung der Dufourspitze ausgesprochen haben frühstücken wir gemütlich um 07:00 Uhr, packen unsere Sachen und machen uns an den Abstieg. Der Spaltenwirrwarr über den ewig langen Gornergletscher ist nicht zu unterschätzen und zieht den Rückweg erheblich in die Länge. Am Ende des aperen Gletschers wartet das „Gletschertor“, das wir rechts haltend auf unmarkiertem Steig umgehen. Bald erreichen wir die Station Furi und steigen nach Zermatt ab, wo wir uns an die Rückreise machen.

Fazit:

Ganz großes Bergkino in grandioser Kulisse mit herausragenden, einzigartigen Charakteren. Technisch passagenweise nicht zu unterschätzen, aber selten zwingende Schwierigkeiten, die auch für Anfänger nicht zu bewältigen wären. Die besuchten Hütten sind allesamt top und was noch genialer ist sind die zahlreichen Routen, die sich am Weg ausmachen lassen: Breithorn-Traversierung, Liskamm-Überschreitung, Dufourspitze-Überschreitung – um nur einige zu nennen. Die Spaghettirunde lässt sich nach Belieben variabel an die persönlichen Bedürfnisse anpassen bzw. erweitern. Wir hatten mit 10x4000er reichlich genug und haben das Wallis 100% zufrieden verlassen. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen – am Besten so bald wie möglich!